Wie war’s bei Christoph Niemann?

Vor die Wahl gestellt,  eine Ausstellung  allein oder in einer Gruppe zu besuchen, gehe ich lieber allein und das nicht, weil ich mir Exponate gerne in Ruhe betrachte, sondern weil ich sie gerne abschreite. Bin ich Teil einer Gruppe, muss ich aber immer auf die warten, die sich Exponate gerne in Ruhe betrachten.

Außerdem bin ich kein Anhänger von Menschenansammlungen. Ich gehe darum gerne mittwochs morgens im Museum, wenn alle anderen arbeiten. So gut wie nie werden Sie mir hingegen an einem Freitag Abend im Museum über den Weg laufen, schon gar nicht an einem Freitag, an dem es alle anderen zur Vernissage hinzieht.

Dass ich trotzdem bei der Eröffnung von Christoph Niemanns Ausstellung im Cartoonmuseum Basel war, deutet also darauf hin, dass es einen außergewöhnlichen Grund gegeben haben muss. Gab es auch. Einen außergewöhnlichen Künstler: Christoph Niemann.

Gehe ich zur Vernissage, so die Hoffnung, lerne ich vielleicht nicht nur etwas über die Kunst des Herrn Niemann, sondern auch über den Künstler und im nächsten Schritt, weil das ja immer der Schritt ist, den zu nehmen man hofft, wenn man etwas über jemand anders lernen will, lerne ich vielleicht sogar etwas über mich selbst.

Diese Hoffnung, so viel vorab, wurde enttäuscht. Wobei. Gelernt habe ich schon was über den Künstler und somit auch über mich. Aber von wegen, das Genie färbt ab, war für mich in Basel nichts zu holen. Stattdessen ein banaler bis übellauniger Blick aufs Selbst.

Angefangen hat es damit, dass es voll war. Oben, wo die schlauen Leute und später der Künstler selbst sprechen sollten, war kein Platz mehr. Was auch immer der Abend an Erkenntnissen bringen sollte, es musste also ohne Blickkontakt geschehen.

Selbst im Erdgeschoss war eine, wie der Basler sagt, Druggede.

Oben begannen die Vorträge, unten ging es nicht vor und nicht zurück. Ich steckte mitten in der Ausstellung fest, nichts zu sehen vom Künstler und nichts zu sehen von der Kunst. Dafür lauter Menschen um mich herum, die jedoch, womöglich weil eben doch etwas von der Leichtigkeit der Exponate auf uns Besucher abfärbte, womöglich aber auch, weil das z’Basel an mym Rhy nun mal so ist, überhaupt nicht störten. Womöglich lauerten sie aber auch nur alle ebenso wie ich, bereit sie klarzumachen, auf die Ankunft der Muse, und schauten deshalb so freundlich.

Oder aber es lag ganz einfach daran, dass mich die Druggede just in dem Moment am Apéro vorbeischob, als der eröffnet wurde?

Im am Apéro Vorbeigeschobenwerden zugegriffen habend wurde ich mit dem ergatterten Glas in der Hand aus der Ausstellung hinaus und ins St. Alban gespült und zu welchen geistigen Höhenflügen schwang ich Vernissagenmensch mich, inspiriert von Niemanns Kunst/Niemann, das Weißweinglas im laut Wikipedia „vornehmsten“ Stadtteil Basels vornehm in den gespreizten Fingern haltend, auf?

Ich will es Ihnen sagen: Ich verknüpfte die in einem der vielen klugen, sympathischen und überaus leichtfüßigen Niemann-Interviews aufgeschnappte Information, er fürchte sich davor, irgendwann keine Ideen mehr zu haben, mit der im Erdgeschoss aus dem Lautsprecher live vom Künstler erhaltenen Information, kaum etwas finde er schlimmer, als ungebeten Ratschläge zu erhalten, was sich denn mal wirklich zu illustrieren lohne, und entwickelte daraus einen Plan, wie man die Kunst Niemanns für immer zum Erliegen bringen könne, nämlich, indem man ihm unaufgefordert eine Liste aller möglichen Bildideen vorlege und ihm somit nichts zu schaffen übrig ließe.

Jämmerlich, ich weiß.

Dann machte ich mich daran, diese Liste selbst zu erstellen, aber mir fiel nicht eine einzige Idee ein und das war es dann auch schon, was die Ausstellung für meine eigene Kreativität in petto hielt.

Copyright: Christoph Niemann „Creative Process“ 2013

Als ich mein Glas leer hatte, ging ich wieder rein und schritt die Ausstellung ab schlenderte durch die Ausstellung. Die Bilder, aber das wussten wir ja alle schon, sind toll. Wer mag, kann noch bis Oktober selber hin. Ich empfehle das. Wahrscheinlich werde ich selbst auch noch mal hin. An einem Mittwoch Morgen oder so.

Das Nashorn I

Ich bekenne mich dazu: Ich bin auch einer von denen, für die immer alles im Original sein muss. Ob Bücher oder Fernsehen, von Übersetzungen halte ich nichts und das obwohl ich Übersetzer bin. Ich bin sogar offizieller Übersetzer, so offiziell, dass ich einen Titel trage, den ich mir nicht einmal selbst merken kann („öffentlich bestellter und beeidigter Urkundenübersetzer für die englische Sprache in Baden-Württemberg“).

Ich war nicht immer so ein Snob. In den Neunzigern zum Beispiel war mir das noch egal. Da las ich die Bücher so, wie sie mir in die Finger fielen. Auf die Idee, mir umständlich ein Original zu bestellen und dann Tage später in dem selben Laden abzuholen, in dem ich die deutsche Ausgabe bereits in der Hand hielt, wäre ich nie gekommen. So war das in der kleinen Stadt ohne Internet und darum habe ich ausgerechnet von Douglas Adams nie irgendetwas im Original gelesen.

Ich schreibe „ausgerechnet“, weil meine Verehrung für Adams so weit ging, dass ich sofort an „Die Letzten ihrer Art“ denke, als ich im Basler Naturkundemuseum das Nashorn entdecke.

Fun Fact über mich: Wenn ich in einer Ausstellung vor einem Bild stehen bleibe, geht mein Blick zuerst immer nach rechts unten. Dahin, wo ich lesen kann, was es hier zu betrachten gibt. Das gilt nicht nur für Bilder, sondern auch für Nashörner, also schaue ich, vor dem Nashorn stehend, nach rechts unten und lese: „Breitmaulnashorn.“

Das ist der Moment, in dem ich über das, was ich eben aufgeschrieben habe, erstmalig nachdenke: Dass ich Adams nie im Original gelesen habe.

Bewusst wird mir das deshalb, weil ich an eine ganz spezielle Stelle in „Die Letzten ihrer Art“ denke: Darin, so meine Erinnerung, erklärt Adams, dass das so genannte Weiße Nashorn gar nicht weiß sei, sondern grau. Dass es trotzdem Weißes Nashorn genannt wird, liege daran, dass die, die es so nannten, die, die es bereits kannten, zwar gefragt hätten, wie die das Tier denn nannten, aber die Antwort falsch verstanden hätten. Anstatt „wide“, also „weit“, hätten sie verstanden „white“, also „weiß“.

So meine ich  mir das in den Neunzigern gemerkt zu haben und 2017 stehe ich im Museum und lese nicht „Weißes Nashorn“, sondern „Breitmaulnashorn“.

Wie kann das sein? Schnell heim und das Buch raussuchen. Tatsächlich steht da auf Seite 119:

„Was viele Leute, die nichts über weiße Nashörner wissen, an ihnen am interessantesten finden, ist ihre Farbe. Weiß ist es nicht. Nicht einmal annähernd. Es ist eher ein hübsches Dunkelgrau. Nicht mal irgendein helles Grau, das man gerade noch als nicht ganz lupenreines Weiß durchgehen lassen könnte, sondern ein schlichtes Dunkelgrau. Aus diesem Grund nehmen manche Leute an, die Zoologen seien entweder pervers oder farbenblind, aber das stimmt nicht; sie sind nur ungebildet. `Weiß` ist eine falsche Übersetzung des aus dem Afrikaans stammenden Begriffs `weit`, der `breit` bedeutet und sich auf das Maul des Nashorns bezieht, das breiter ist als das des schwarzen Nashorns.“

Finden Sie das interessant? Ich schon. Zumal ich ja nun, anders als damals, als das Buch herauskam, das gesamte Wissen der Welt per Mausklick abrufen kann. Ich surfe also über den Suchbegriff „Weißes Nashorn“ zur Wikipedia und lande auf der Seite „Breitmaulnashorn“, wo ich lese, „die teilweise gebrauchte Bezeichnung Weißes Nashorn“ leite „sich vom englischen Trivialnamen White rhinoceros ab.“

Aha.

Schnell will ich weiter zur englischsprachigen Wikipedia-Seite über Nashörner, was mich dank der links platzierten Rubrik „In anderen Sprachen“ nur einen Mausklick kosten würde, aber was steht dort in der Liste angebotener fremdsprachiger Artikel ganz oben? Afrikaans. Natürlich schlucke ich den Köder und was heißt wohl „Breitmaulnashorn“ auf Afrikaans?

Witrenoster.

Das finde ich nun merkwürdig, denn „witre“ mit „weiß“ oder „white“ zu übersetzen, finde ich überhaupt nicht naheliegend. Allerdings weiß ich natürlich auch nicht, wie „Witrenoster“ gesprochen wird. Andererseits: So anders als Deutsch scheint Afrikaans nun auch nicht zu klingen und so arg knifflig zu lernen, wird es auch nicht sein. Nicht für mich!

Denn nachdem ich mit dem Wikipedia-Artikel durch bin, könnte ich bereits eine Unterhaltung auf Afrikaans beginnen und zwar mit dem Satz: „Die witrenoster is een van die twee renosterspesies wat in Afrika voorkom.“ Sollte ich mal einen Afrikaanssprecher treffen, werde ich den Satz ausprobieren und für den Fall, dass es mir damit nicht gelingt, eine Plauderei in Schwung zu setzen, kann ich sogar noch nachlegen: „Die ander een is die swartrenoster.“

Kinder I

Wer ein Kind bekommt, muss sich einen Namen überlegen. Das kann ganz schön dauern. Manche werdenden Eltern schöpfen die vollen neun Monate aus und sind sich dann immer noch nicht sicher. Manche suchen in ihrer Ratlosigkeit einen passenden Namen im Internet.

Für solche Fälle hier ein paar Tipps.

Zunächst einmal empfehle ich Ihnen, vor der endgültigen Entscheidung die Buchhandlung Ihres Vertrauens aufzusuchen und dort die ganzen Bücher mit den 100 besten Vornamen, den Tipps zur perfekten Schwangerschaft und Einrichtung des Kinderzimmers links liegen zu lassen. Denken Sie stattdessen etwa drei bis fünf Jahre voraus. Gehen Sie in die Abteilung für Kinderbücher und schauen Sie, was dort gerade an Schnelldrehern ausliegt.

Es lohnt sich. Glauben Sie mir. Ich habe einen zweiten Vornamen. Der lautet Benjamin. Ich weiß also, wovon ich spreche.

Wahrscheinlich denken Sie im Moment noch nicht so weit, aber irgendwann wird Ihr Kind im Kindergarten ankommen und dann haben Sie keinen Einfluss mehr darauf, mit welchen Geschichten Ihr Kind in Kontakt kommt und wie deren Protagonisten heißen. Manche kennen Sie wahrscheinlich schon, so besagten Benjamin. Andere werden Sie neu entdecken.

Spielen Sie beispielsweise mit dem Gedanken, Ihr Kind Lieselotte zu nennen? Dann sollten Sie wissen, das der Name im Kosmos der Kleinkinder bereits belegt ist und zwar von einer Kuh. Ähnlich verhält es sich mit Kasimir. Kasimir ist ein Biber und wenn Sie Ihr Kind so nennen, wird es wahrscheinlich öfter gefragt werden, wo es seinen Freund gelassen hat: Frippe.

Von der Prinzessin Lillifee haben Sie wahrscheinlich schon gehört, aber wussten Sie, dass die ein Einhorn hat, das auf den Namen Rosalie hört? Der zugehörige Hase heißt Henry, Oskar heißt der Marienkäfer und das Schwein Pupsi.

Jule ist zwar ein schönes Mädchen und gern in die Schule geht sie auch, aber sie wäscht sich nie.

Julia hingegen ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels unverfänglich und bietet zudem den Vorteil, dass Sie Ihr Kind, wenn es doch ein Junge wird, auch einfach Julius nennen können. Ähnlich verhält es sich mit Alia und Ali, doch bei Lina und Linus wäre ich schon wieder vorsichtig, denn laut Tatortreiniger heißt Linus „Jammerlappen“.

Ich denke, Sie wissen, worauf ich hinauswill: Wählen Sie den Namen Ihres Kindes mit Bedacht.

Wobei: Ist Ihr Kind erst einmal auf der Welt, kommt eh alles anders. Wenn Sie es beispielsweise Jonathan nennen und der Name beim Eintritt in den Kindergarten bereits von einem anderen Kind getragen wird, kann es gut sein, dass Ihr Jonathan der Entscheidbarkeit wegen von allen einfach „der kleine Jonathan“ genannt wird.

Oder es geht Ihrem Kind wie berühmten grünen Politiker und es findet sich umgeben von Mitmenschen, die auf die Idee kommen, den von Ihnen sorgfältig ausgewählten Namen erst mit Hilfe des Englischen zu verballhornen und dann ins eigene Idiom rückzuübersetzen, wodurch aus Ihrem Cem eine „Marmelade“, beziehungsweise Schwäbisch, ein „Gsälz“ wird.

Das ist dann eben so. Übertreiben Sie es also nicht und spielen Sie, wenn Sie überhaupt nicht weiter wissen, einfach eine Party Scrabble. Oder kriegen Sie zwei Töchter und nennen die Anna & Elsa.

Fragment II

Ich schreibe ja eigentlich ständig an neuen Geschichten, wobei „Schreiben“ bei mir hauptsächlich „Streichen“ bedeutet. Manchmal streiche ich ein Wort, manchmal einen Satz, manchmal den ganzen Absatz – so ähnlich soll es Hemingway gesagt haben und zumindest in dem Punkt stehe ich dem guten Mann in nichts nach. Doch während Hemingway für seine gestrichenen Passagen nur den Papierkorb übrig hatte (in dem der Legende nach auch die Geschichte von alten Mann und dem Meer landete), gibt es für Fälle wie mich das Internet.

Was es nicht in die richtige Geschichte schafft, kommt also in meiner Reihe „Fragmente“ in dieses Blog. So wie die Anekdote von dem kleinen Kind, dem einmal Blut abgenommen werden sollte.

Die geht so:

„Dann warst du an der Reihe. Ich dachte erst, deine Lethargie habe mit dem Vermissen deiner Mutter zu tun, als das Fieber aber innerhalb kürzester Zeit auf über 40 Grad stieg, bekam ich Angst. Für unseren Kinderarzt war es schon zu spät, also gingen wir direkt in die Ambulanz der Uniklinik. Dort erlebten wir beide die schlimmste Nacht unseres Lebens.

Manchmal muss man in der Notaufnahme gar nicht warten. Je nachdem kommst du sofort dran. Es gibt da, wie ich während die überraschend junge Ärztin dich untersuchte, einer an der Wand festgehefteten Tafel entnehmen konnte, ein System namens Triage. Ich weiß nicht, wie man das spricht, aber ich verstand so viel: Je schlechter du dran bist, desto eher kommst du dran. Wenn sie dich mal wieder warten lassen, denk’ ruhig daran. Wer warten muss, darf froh sein.

Wir aber wurden sofort in das Behandlungszimmer gebeten, wo wir dich zu dritt, Ärztin, Schwester und ich, an Händen und Füßen sowie dem Kopf auf die Pritsche drückten. In den Mund schauen hatte noch ganz gut geklappt, du wurdest fürs Schreien sogar gelobt, aber für die Ohren hättest du den Kopf ruhig lassen und fürs Abhören beim Schreien pausieren müssen und mittlerweile wollte die Ärztin Blut sehen. Das wolltest du nicht, weshalb du nicht still hieltst, weshalb wir umso entschlossener vorgingen. Wir hatten dir bereits beide Handgelenke zerstochen, jetzt machten wir uns an die Füße.

Patienten in deinem Alter waren immer schwierig. Unkooperativ ward ihr und fett. Dein Babyspeck machte es uns ohnehin schwer, deine Venen zu finden, die dann aber auch zu treffen, war noch mal etwas anderes. Vor allem bei schweißnasser Haut. Vor allem bei vom Fieber und der Hitze und der Aufregung schlecht gewordenem Wasserhaushalt. Vor allem bei dir. So einen wie dich gab es selten, an Patienten wie dich wollte sich auch das couragierte Notfallpersonal lieber nicht gewöhnen.

Die Ärztin klopfte ein bisschen mit den Fingern auf deinen zwischen Knie und Zehen verlaufenden Venen herum und schaute dabei wenig zuversichtlich. Dann, dachte ich, doch lieber zuversichtlich. Sie stach die Nadel, ohne dabei auf Blut zu stoßen, wieder und wieder in deinen Körper. Du brülltest in Todesangst. Wir hatten dich fest im Griff. Gegen drei Erwachsene hat so ein Mäusle wie du es warst keine Chance. Ich zählte sieben Stiche, dann waren auch deine Beine nicht mehr zu gebrauchen. Jetzt, hieß es, blieb nur noch der Schädel.

Ich wollte es machen wie die Profis und mir dein Leid nicht zu Herzen nehmen. Ich war schließlich als Helfer gefordert und Helfer müssen einen klaren Kopf bewahren. Ich legte dir die Hand auf die Stirn. So hatte ich das bei deiner Geburt mit deiner Mutter gemacht, aber bei dir wirkte es nicht. Es stimmt schon: Niemand kann einem andern die Qual erleichtern. Nicht der Vater dem Kind, nicht der Vater der Mutter und nicht die Mutter dem Vater. Jeder von uns trägt sein Kreuz allein.

Zwei Stunden lang war schon auf dich eingestochen worden und nichts war erreicht. Im Gegenteil: Deinem AZ war die Quälerei nicht zuträglich. AZ hieß Allgemeinzustand. Ich fragte, ob das mit dem Blut denn wirklich so wichtig sei? Ja, schon, eigentlich schon. Dennoch ließ uns die Ärztin für einige Minuten in Ruhe. Damit wir verschnaufen konnten. Um sich zu konsultieren.

Sie hatte die Tür hinter sich noch nicht zugezogen, da warst du schon in meinen Armen eingeschlafen. Mein Telefon brummte. Um nachzusehen, wer jetzt was von mir wollte, hätte ich eine freie Hand gebraucht, ich hätte dich also kurz umlagern müssen, was dir in deiner Erschöpfung bestimmt nicht einmal aufgefallen wäre, aber ich wollte das nicht. Ich hielt dich wohl in meinem Arm und kein Telefon dieser Welt konnte das ändern. Als die Tür wieder aufging und die Ärztin zurückkam, hatte ich das Brummen, Leahs SMS, längst wieder vergessen.

Die Ärzte hatten sich beraten. Der Vorschlag lautete, uns auf die Intensivstation zu verlegen. Dort sei der beste Stecher anwesend, den ihr Haus zu bieten hatte, vielleicht habe der ja mehr Fortune. Sie drückte sich tatsächlich so aus. Fortune. Als handle es sich bei ihrer Profession um ein Glücksspiel. Ich fragte, was die auf der Intensivstation anders, was sie besser machen würden. Die Antwort war: eigentlich nichts. Aber manchmal sei es ganz gut, wenn ein frisches Team übernähme. Ein unbelastetes. Damit der nächste Stich vielleicht hoffentlich der letzte wäre.

Ein unbelasteter Arzt sollte also her, was wohl hieß, dass ihr die eigene Last zu schwer geworden war, aber von deiner Last sprach sie nicht. Was hättest du an meiner Stelle getan? Was wusste ich schon von der Medizin? Ich bin Programmierer, in meinem Beruf gibt es Nullen und Einsen, es gibt Lösungen und es gibt Holzwege, es gibt die Möglichkeit, Fehler zu eliminieren und es gibt am Ende ein Resultat, von dem ich weiß, ob es funktioniert oder nicht. Von Fortune verstehe ich nichts.

Wir wurden in den dritten Stock gebracht, du schlafend auf meinem Arm. Es ging durch eine Schleuse. Die Intensivstation. Jetzt waren wir bei den ganz armen Würstchen. Der einzige Paramater, den ich beeinflussen konnte, war meine Anwesenheit. Mit mir hatte es mit dem Zugang nicht geklappt, vielleicht klappte es ja ohne mich? Ich fragte den Oberstecher, was er von meiner Theorie hielt. Dem war das egal. Also ließ ich dich mit ihm allein und seiner Assistentin im Interventionsraum und wartete vor der Tür.

Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines. Das eine Blatt man merkt es kaum, denn eines ist ja keines. Doch dieses eine Blatt allein war Teil von unserem Leben. Drum wird dies eine Blatt allein uns immer wieder fehlen.

Versuch’ das mal zu gurgeln. Das Gedicht und ein dazu passender Baum, von dem ein Blatt fiel, war an die Wand des Flurs der Intensivstation gemalt. Ich kann es noch heute flüssig rezitieren, so lange stand ich da.

Aber dein Blut bekamen auch die von der Intensivstation nicht.

Mit Freund Cholo in den Alpen

„Wie ein künstlicher Blasenausgang, bloß rückwärts.“
(Mathias Röckel in „Letzter – Notizen eines Triathlon-Novizen“ über Trinkrucksäcke)

Für die Jüngeren unter euch: Cholo ist der Mann, mit dem ich einst am Schluchsee beim Triathlon angetreten war. Ein im Sinne von „nie wieder“ einzigartiges Erlebnis, das zu verarbeiten das Schreiben des oben genannten Buchs verlangt hatte.

Sechs Jahre später, also vorvorgestern, stand Cholo wieder vor der Tür und wer jetzt erwartet, dass wir nahtlos an unseren damaligen Wettkampf anknüpften, braucht nicht weiterzulesen.

Sechs Jahre: Im Triathlon sind das Welten!

Ich bin ein anderer und Cholo natürlich auch. Zum einen nennt ihn, weil er inzwischen nicht mehr in den Anden wohnt, sondern in Südostasien, niemand mehr Cholo. Zum andern ist Cholo jetzt, wie ich so ziemlich als erstes erfuhr, Besitzer eines Trinkrucksacks.

Was fängt man mit so einem an?

In Freiburg sollten es 21 Grad werden. Das sieht dann so aus:

Cholo aber sehnte sich nach Kälte. Bei ihm daheim war es schon seit Wochen nicht einmal mehr nachts kälter als 20 Grad geworden. Außerdem war es abgemacht, dass wir in die Alpen fuhren.

Also gut.

Wohin es gehen sollte, war längst klar. Zum Gletscherfloh, zum Eiger, zur vielleicht besten Chässchnitte der Alpen, sprich: nach Grindelwald.

Blieb bloß die Frage nach der Abfahrtszeit. Ich bin ja bekanntermaßen ein Freund meines Betts, vor allem am Wochenende, vor allem in den Morgenstunden. Cholo hingegen bemerkte, vollkommen zu Recht, dass der wenige Schnee, mit dem wir rechnen durften, am Nachmittag wahrscheinlich in noch erbärmlicherem Zustand wäre als am Vormittag. Wir sollten daher rechtzeitig aufbrechen.

Rechtzeitig, glänzte ich mit meinem Local-Wissen, hieß in der Regel um sechs. Cholo nickte und erwähnte, dass in der Nacht die Uhren umgestellt würden.

Oha.

Ich fiel in Cholos Nicken ein und begann unter dem Tisch zu googeln, in welche Richtung noch mal, aber Cholo war wieder einmal schneller und das ganz ohne digitales Equipment.

Die Uhren wurden vorgestellt. Fünf ist das neue Sechs.

Dann müsste ich aber sofort ins Bett, gab ich dem Freund, Konkurrenten, Kosmopoliten und Wandler zwischen den Zeitzonen zu verstehen und ließ ihn allein mit der guten Flasche Wein sitzen, von dem ich hoffte, dass er sie auch ohne mich leeren würde.

Am andern Morgen standen wir an der Talstation und alles war grün. Der Frühling lässt sein blaues Band und so weiter. Von des Winters weißem Band hingegen waren nur noch Fetzen übrig und auch das nur dort, wo die Talabfahrt verlaufen sollte.

Das sieht dann so aus:

Zwei Tageskarten kosteten 126 Schweizer Franken. Das sind mehr als 4.000 Baht. Wie der Schnee weiter oben aussah, war von hier unten nicht zu erkennen: Eiger, Mönch und Jungfrau lagen in dichtem Nebel.

Das Gute an ehemaligen Triathleten wie uns sei unsere Flexibilität, erinnerten wir uns. Neben unseren Kerndisziplinen stehen uns unzählige Ausgleichsportarten zur Verfügung, auf die Allrounder wie wir jederzeit ausweichen können.

Ich hatte sogar extra vorgesorgt. Ich hatte nicht nur Ski, Skischuhe, Skibrille, Skihose, Skiunterwäsche, Skihelm, Skihandschuhe und Skisocken dabei, sondern auch eine Badehose und ein Handtuch. Meinetwegen konnten wir gerne auch einfach auf den Berg wandern.

Ich hätte eh schon darüber nachgedacht, mir ein drittes Paar Wanderschuhe zuzulegen, sagte ich, und wenn ich mir den Skipass sparte, gliche das das Schweizer Preisniveau aus, woraufhin Cholo sagte, dann hole er sich eben noch ein Paar Stöcke, woraufhin ich lernte, dass man den Leuten den Erwerb neuen Equipments nicht nur durch Aus-, sondern auch durch Zureden verleiden kann, weshalb es hier leider kein Bild von Cholo beim Am-Stock-Gehen gibt.

Dafür aber eines von mir als Rotsocke:

Der Aufstieg von Grindelwald nach Alpiglen war dann übrigens äußerst entspannt.

Die Chässchnitte gewohnt überragend:

Nur vom Eiger gab es leider nicht mehr zu sehen als das hier:

Doch für einen Mann von Cholos Format stellt so ein Detail keinen Anlass für Verdruss dar, sondern im Gegenteil, einen Grund, einfach später noch mal wiederzukommen.

Hoffentlich darf ich dann wieder dabei sein!

 

Strom aus Schönau

Wenn mir mein Stromanbieter den Abschlag reduziert und mich dabei lobt, weil ich keinen Atomstrom verbraucht habe, nehme ich das relativ ungerührt zur Kenntnis.

Aber dass die es mir ermöglicht haben, doch noch zu einem Auftritt von Georg Schramm zu kommen und das zu einem Zeitpunkt, wo der sich eigentlich schon von der Bühne verabschiedet hatte, werde ich ihnen nie vergessen:

Wer auch so einen prima Stromanbieter haben will: https://www.ews-schoenau.de

Meine Ukulele, mein Computer, Mozart und ich

Das erste Computerprogramm, das ich für meinen ersten Computer kaufte, war eins zum richtig Schreiben lernen. Schreiben im Sinne von: tippen. Mit zehn Fingern, blind und so, dass die richtigen Finger auf den richtigen Tasten landen. Auch die Hochstelltaste (also bei Buchstaben, die von der rechten Hand abgedeckt werden, mit links und andersrum).

Bislang hat das auch ganz gut geklappt. Aber jetzt habe ich ja diese Zigarrenkistengitarre – und damit eine neue Verwendung für meine Finger. Woraus sich vollkommen unerwartet das Bedürfnis entwickelt hat, mich im Bereich „Transferable Skills“ weiterzuentwickeln.

Das wird wohl mit meiner Angewohnheit zusammenhängen, beim Arbeiten (leise) Mozart zu hören und zwar meistens die Tracks, auf denen möglichst viel Klavier zu hören ist (auf gar keinen Fall Gesang).

Ihr ahnt, worauf das hinausläuft?

Früher hatte ich einen Computer, eine Musikquelle und keine Zigarrenkiste. Jetzt habe ich einen Computer, eine Musikquelle, eine Zigarrenkistengitarre sowie den Drang, beim Tippen im Takt zu bleiben. Dabei wiege ich mich auch schon in der Art eines Konzertpianisten hin und her.

Ich denke, das mit mir und dem Großraumbüro wird in diesem Leben nichts mehr.

Who Rules the Internet?

An attempt to describe the Internet in one sentence: The Internet is a cross-national infrastructure of cables, routers, switches and servers that rely on multiple services, applications, standards and protocols that allow anyone to exchange data with anybody else, and it is impossible to say who runs or owns the Internet or even understand and agree upon everything necessary to keep it running – which doesn’t keep us from trying.

Keep us from trying? Who is “us,” exactly? It’s hard to say. Just like there is no single central Internet, but rather a variety of autonomous networks, there is no single central party governing the Internet. Instead, we have ICANN with IANA, IETF, IGF, W3C, and the ITU, to name just a few. For a longer list, visit Wikipedia, but don’t count on that list being complete.

To continue reading, visit dotmagazine: https://dotmagazine.online/issues/who-rules-the-internet/who-rules-the-internet