Einige erstaunliche Fakten über Quantencomputer, von denen ich nicht wusste, dass ich sie nicht wusste

Als Nicht-Techniker, der über Technik schreibt, freue ich mich immer, wenn ich bei der Recherche auf Techniker treffe, die zugeben, etwas Technisches nicht verstanden zu haben. Das macht mir das Schreiben leichter. Ich darf meine Texte dann nämlich kurz-fassen und unbestimmt halten. Weil alles andere für den Moment zu weit führen würde und vielleicht bei anderer Gelegenheit ausgeführt werden kann. Wofür der Platz gerade noch reicht, ist ein sinniges Zitat oder ein mehr oder weniger intellektueller Witz – und wer es doch unbedingt genauer wissen will, kann ja einfach hier oder da selber nachschauen. 

Ich lese, höre und schaue nun seit einigen Wochen zum Thema Quanten und Quantencomputer. Bislang habe ich noch niemanden gefunden, der von sich behaupten würde, die Quantenwelt verstanden zu haben. Womöglich trauen sich die Experten einfach nur nicht aus der Deckung, weil ihnen ausgerechnet einer ihrer Urväter, Richard Feynman, mit der Aussage „Wer glaubt, die Quantentheorie verstanden zu haben, hat sie nicht verstanden.“ einen echten Karrierekiller hinterlassen hat. 

Womöglich ist es aber auch wirklich schwierig, das Thema zu verstehen.

Vor diesem Hintergrund sollte es mir leichtfallen, über die Quantenwelt zu schreiben. Wenn schon der Mann, der mehr über Quanten wusste als die meisten anderen Menschen – darunter womöglich auch Albert Einstein – und der als Erster öffentlich die Idee eines Quantencomputers formulierte, zugibt, sein Thema nicht ganz verstanden zu haben: Dann darf ich Laie mich doch wohl noch kurzfassen, darf im Ungefähren bleiben und meine Wissenslücken mit sinnigen Zitaten oder mehr oder weniger intellektuellen Witzen übertünchen. Wie zum Beispiel diesem hier: „Wenn ich eine Meinung habe, aber meine Frau ist gerade nicht in der Nähe: Habe ich dann trotzdem unrecht?“

Natürlich darf ich das. Und so habe ich damit angefangen, über die Quantenwelt zu schreiben. Nur um sofort an mir selbst zu merken, dass das, was Physiker vom Übergang von der physisch erlebbaren Welt in die Quantenwelt berichten, für mich auch in diesem Fall zutrifft. Einige Regeln, so die Physiker, die in der physisch erlebbaren Welt für wahr befundenen werden, gelten nicht in der Quantenwelt und umgekehrt. 

So ist das auch mit mir und dem Schreiben über die Quantenwelt: „Über schwierige Stoffe ist leicht zu schreiben“ – diese Regel hat, zumindest für mich, in der Quantenwelt keinen Bestand. Über Quanten nachzudenken und zu schreiben, ist hart und ständig stolpere ich über Dinge, von denen ich nicht wusste, dass ich sie nicht wusste. Auf einige davon, die mich wirklich erstaunt haben, will ich jetzt eingehen.

Superposition

Superposition ist ein Begriff, den ich schon gehört hatte. Schrödingers Katze kommt in den Sinn, die kannte ich. Die soll, wenn jemand die Kiste aufmacht, in der sie steckt, entweder tot oder lebendig, aber solange die Kiste eben noch zu ist, gleichzeitig tot und lebendig sein.

Da geht es dann auch schon los mit dem Nichtwissen. Der Grund dafür ist schiere Faulheit. Ich hatte nie groß über die Katze nachgedacht. Ich hatte mich immer mit der einfachsten aller möglichen Erklärungen zufriedengegeben. Die Katze ist wie meine Kinder. Bin ich auf dem Heimweg, so mein Vergleich, und meine Kinder (die Katzen) sind daheim (in der Kiste), weiß ich nicht, wo sie sind. Sie können überall sein. Auf der Couch im Wohnzimmer. Auf dem Klo. Am Handy im Schrank. Vor dem Kühlschrank oder auf dem Weg vom Kühlschrank zur Couch. Solange ich nicht daheim bin, kann ich nur ungefähr sagen, dass sie hoffentlich zu Hause sind. In dem Moment, in dem ich den Schlüssel im Schloss umdrehe (die Kiste aufmache), sind sie dort, wo sie eben sind (tot oder lebendig). Das heißt nicht, dass sie, während ich noch unterwegs war, überall gleichzeitig waren. Es hieß nur, dass sie überall sein konnten.

Ganz normaler Alltag in jeder Familie: Was an dieser Geschichte so kompliziert sein sollte, dass sich die besten Physiker ihrer Generation damit abgaben? Das wollte ich nicht verstehen.

Wie gesagt: Ich war faul. Ich wusste nicht, was ich nicht wusste. Zum Beispiel, dass Schrödinger, von dem ich nicht wusste, dass er mit Vornamen Erwin hieß, das Gedankenspiel mit der Katze gar nicht deshalb erfunden hatte, weil er damit zeigen wollte, dass eine Katze theoretisch gleichzeitig tot und lebendig sein kann. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Er hatte die Katze in der Kiste, wie Michio Kaku in „Wettlauf um die Zukunft. Wie der Quantencomputer die Probleme der Menschheit lösen wird“ schreibt, deshalb erfunden, weil er zeigen wollte, dass die Regeln der Quantenmechanik nicht wahr sein konnten. Dass die Regeln, die er selbst mit beschrieben hatten, geradewegs ins Paradoxe führten. Dass nicht sein kann, was nicht sein kann. 

Wer das ähnlich sah, war einer, von dem jeder den Vornamen kennt. Einstein haderte damit, dass erst die Beobachtung (das Öffnen der Kiste) einen Zustand (tot oder lebendig) herbeiführen sollte. Es war doch offensichtlich, dass Dinge, die existieren, ganz unabhängig davon existieren, ob sich ein Forscher für sie interessiert oder nicht. Die Katze war schon bei Schrödingers in der Kiste, also nahm Einstein sich für sein Gedankenexperiment eine Maus. Einsteins Gedankenexperiment besteht nur aus einer einzigen Frage. Einstein soll es wiederholt mit Gästen durchgegangen sein und es geht so: Einstein zeigt auf den Mond, Einstein fragt seine Gäste, ob die glauben könnten, der Mond existiere nur, weil eine Maus ihn anschaue. Experiment Ende. 

Bestechend simpel, genau so wie Einstein es mochte, aber eine Katze in einer Kiste, in der auch noch ein Hammer, ein Geigerzähler, radioaktives Material und eine Flasche voller Giftgas steckt, ist natürlich spektakulärer als eine Maus, die „Kuckuck, da!“ spielt. Darum wundert es mich nicht, dass im Freiburger Science Shop in Freiburgs schöner Gerberau, in dem ich Kakus Buch gekauft habe, neben dem T-Shirt, auf dem drei Vögel abgebildet sind (der Wellen-, der Teilchen- und der Quantensittich) auch ein T-Shirt mit Schrödingers Katze, aber keines mit Einsteins Maus zu erwerben ist. 

Superposition. Der Begriff spielt nicht nur in der Quantenwelt eine Rolle. In der Welt, die wir sie sehen und anfassen können, ist Superposition überall. Das deutsche Wort dafür lautet Überlagerung. Was Superposition in der klassischen Physik bedeutet, ist nicht schwer zu begreifen. Wellen können sich überlagern. Sie können dadurch größer oder kleiner werden. Sie können sich auch durchkreuzen, ohne einander zu verändern. Man muss nicht Physik studieren, um das zu verstehen, man kann auch surfen gehen oder sich in die Badewanne legen. Sich überlagernde Wellen können sich auch gegenseitig aufheben. Das wissen Pendler mit Noise-Cancelling-Kopfhörern.

In der Quantenwelt ist Superposition aber mehr. Hier ist tatsächlich das gemeint, was Schrödingers Kiste von meiner Wohnung unterscheidet. In der Kiste befindet sich ein radioaktives Atom, das vielleicht, vielleicht aber auch nicht zerfällt. Das ist das Quantenereignis. Und solange das Ergebnis nicht gemessen, solange die Kiste nicht geöffnet, solange der Mond nicht von der Maus angeschaut wird, befindet sich das zerfallende Atom tatsächlich in einer Überlagerung, in einer Superposition mehrerer Zustände. Es ist nicht entweder zerfallen oder nicht zerfallen. Es ist zerfallen und nicht zerfallen. Das meint Superposition in der Quantenwelt – und auch, wenn es schwer zu glauben ist, gibt es dieses Phänomen doch genau so. Es ist nicht einmal besonders selten. Es ist, auch wenn Schrödinger und Einstein es nicht glauben wollten, sogar absolut üblich. Es passiert ständig und überall. Das wissen „wir“ heute.

Hier ist eine Sache, von der ich überhaupt nicht wusste, dass ich sie nicht wusste: Wie es dazu kam, dass die Zweifel, die die beiden schlauen Herren nicht nur in ihren Beispielen mit Katz und Maus, sondern auch in sehr viel schwieriger zugänglichen Veröffentlichungen und Vorträgen formuliert hatten, ausgeräumt wurden. Wie kam die Physik dazu, das vermeintlich Paradoxe, die Superposition, als Wirklichkeit zu akzeptieren? 

Sogar die Erklärbären auf YouTube machen es wie die meisten Menschen, mit denen ich gesprochen habe, und wie die Autoren der Bücher und Artikel, die ich dazu gelesen habe. Sie kommen sehr schnell an den Punkt, von dem ich oben behauptet habe, er mache mir das Schreiben leichter. Sie sagen, sie wissen es nicht. Oder können es nicht erklären. Oder sie versprechen, später darauf zurückzukommen. „Wenn Sie ein Neuling in der Quantenwelt sind, fragen Sie sich bestimmt, was es bedeutet, dass ein Atom irgendwie sowohl hier als auch dort ist“, schreibt Lee Smolin in „Quantenwelt – Wie wir zu Ende denken, was mit Einstein begonnen hat“. „Verlieren Sie nicht den Mut, wenn Sie das verwirrend finden. Sie haben ganz und gar das Recht, sich zu fragen, was das bedeutet. Das ist eines der zentralen Rätsel der Quantenmechanik. Im Augenblick genügt es jedoch, wenn Sie dies einfach als ein Rätsel akzeptieren, dem wir den Begriff „Superposition“ beilegen.“ Sie könnten auch einfach sagen, dass ich dafür noch zu klein bin. Und sie hätten Recht.

Ich habe eine Vermutung, warum es uns so schwerfällt, das Phänomen Superposition als wahr zu akzeptieren. Oder zumindest, warum es mir schwerfällt. Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt. Ich habe keine Worte dafür, um etwas zu beschreiben, das allem widerspricht, wie ich die Welt mit meinen Sinnen wahrnehme. Dass ein Ding ein zwei Orten gleichzeitig sein soll. 

Ich weiß, dass es Dinge gibt. Ich weiß, dass Dinge sich bewegen. Ich kenne auch einige der Begriffe, die es braucht, um ein Atom zu beschreiben. ElektronenProtonen und Neutronen oder das Higgs-Boson, das berühmte Gottesteilchen. Ich kenne auch Wellen wie die oben beschriebenen in der Badewanne oder im Kopfhörer. Dinge und Bewegung. Mit beidem bin ich bestens vertraut, auf meine Art: Ich kann ganz ohne Formelsammlung einen Tischtennisball in die Ecke schmettern. 

Aber mit das vorzustellen, was ein unbeobachtetes Elektron anstellt, nämlich nicht wie meine Kinder im einen Moment an der Keksschublade und im nächsten Moment vor dem Tablet auf der Couch zu sitzen, sondern sich, obwohl es so klein ist, gleichzeitig um den ganzen Atomkern herum zu bewegen? Dafür fehlen mir die Worte.

Wie nennt man das, was die Quanten im Zustand der Superposition tun? Ich möchte es wabern nennen, aber dafür sind die Teilchen zu schnell. Ich möchte sie mit einem Nebel vergleichen, um sich im ganzen Raum zu verbreiten, braucht so ein Teilchen keine anderen Teilchen, das schafft es ganz allein. Was es gibt, ist, wie ich gelernt habe, der Ausdruck Atomorbital: Markiert man jeden Ort, an dem sich ein um den Atomkern schwirrendes Elektron aufhalten kann, mit einem Punkt, erhält man ein Bild mit vielen, vielen Punkten, die an einer Stelle sehr dicht aneinander liegen und sich nach außen hin ausdünnen. Für jeden Punkt gibt es gewisse Wahrscheinlichkeiten, dass sich das Teilchen dort aufhält. Aber wo ist da die Bewegung? Wo wird hier deutlich, dass ein einziges Elektron gleichzeitig mehr als einen Punkt auf dem Orbital hinterlassen kann? 

Ich weiß es nicht. In einem Text, in dem es um Dinge geht, von denen ich nicht weiß, dass ich sie nicht weiß, ist das nicht nichts. „Später“, verspricht Smolin seinen Leserinnen und Lesern zum Mysterium Superposition, „werden wir in der Lage sein, es zu enträtseln.“ Ich mag das Versprechen, Superposition verständlich zu machen, im Moment nicht lieber nicht geben. Aber Superposition wird später, im Zusammenhang mit Quantenbits, kurz Qubits, noch wichtig werden. Für den Moment springe ich lieber zum nächsten Ding über Quanten, von dem ich nicht wusste, wieviel ich darüber nicht wusste: Verschränkung.