Fragment I

Damals hatte ich keine Ahnung. Wir hatten genug andere Probleme. Wir hatten dich. Wir hatten Michael, der im Bademantel in der Küche saß und mit der Zeitung raschelte.

„Hör dir das an.“
„Michael.“
„Auch dir einen wunderschönen guten Morgen, Stefan.“
„Na, Wohnungsmarkt weiter angespannt?“
„Hör dir das an: Willst du, dass dein Sohn in so einer Welt aufwächst?“
„Worum geht’s denn heute?“
„Jetzt wollen die die Helmpflicht für Fahrradfahrer einführen.“
Wir hatten gerade wieder einmal ein Probe-Abo der Badischen, der Michael solche Ereignisse entnahm.
„Jo.“
„Das hätte ich mir ja mal wieder denken können.“
„Wie läuft’s eigentlich mit deiner Diss?“
„Gut.“
„Ach? Erzähl’!“
„Ein andermal.“
Ich griff nach der Kaffeekanne.
„Ich darf doch?“
„Ist aber der letzte und ihr seid dran.“
„Milch?“
„Alle.“

Ich stellte die Kanne wieder ab und spülte mir eine Tasse. Wir wohnten jetzt zu viert auf 50 Quadratmetern. Das hatte auch seine Vorteile. Früher, als Männer-WG, waren unsere Milchprodukte oft schlecht geworden, vor allem die Butter. Das passierte jetzt nicht mehr. Man musste die Dinge positiv sehen. Man musste sich zusammenreißen. Man konnte menschlich daran wachsen.

„Michael, ich…“
„Ja, du. Du machst aus unserer repräsentativen Demokratie, in der die Politik die Meinung der Bürger zu repräsentieren hat, eine Veranstaltung, in der die Politik dem Bürger verträgliche Lebensentwürfe präsentiert. Repräsentation. Präsentation. Weil du denkst, dass die, die dir ihre Vorstellung vom Leben präsentieren, sich schon ihre Gedanken gemacht haben werden, weil sie ja die Experten sind, lässt du dir alles gefallen.“
„Wenn Julius groß ist, muss sich kein Mensch mehr mit solchen Fragen plagen.“
„Ah, die These von der beratenden Superintelligenz. Sehr gut, dass du mich daran erinnerst. Ich habe da jetzt doch mal ganz kurz drüber nachgedacht und kann dir sagen, warum das nie und nimmer klappen kann.“
„Aha.“
„Genau. Pass auf. Angenommen, du programmierst tatsächlich deine allwissende Müllhalde, was meinst du wohl, wird die erste Frage sein, die die Menschheit ihr stellt?“
„Oh, da gibt es viele.“
„Muss gar nicht, es reicht erst einmal die eine Frage. Na? Welche Frage treibt die Menschen mehr um als alle anderen? Na?“
„Keine Ahnung.“
„Na?“
„Keine Ahnung.“
„Na?“
„Sag’ halt.“
„Gibt es einen Gott und wenn ja, wie heißt er?“
„Was für eine dämliche Frage.“
„Aber nur für dich. Und warum? Na? Weil du an nichts glaubst. Darum.“

Es stimmt nicht, dass ich an nichts glaubte. Ich glaubte an den Verstand. Ich glaubte an die Wissenschaft. Ich glaubte an den Zweifel und damit glaubte ich, und darauf hatte Michael angespielt, an den Mut, sich nicht nur des eigenen Verstandes zu bedienen, sondern auch einem überlegenen Verstand zu folgen und das selbst dann, wenn der dem eigenen so überlegen war, dass man ihn nicht verstand. Außerdem glaubte ich, dass es, weil es so am schnellsten vorbei ging, das Beste war, Michael einfach machen zu lassen, wenn er morgens in der Küche seine Gedanken ablaichte. Aber ich glaubte ja auch daran, Weihnachtsgeschenke rechtzeitig zu besorgen.

„Und jetzt mal angenommen, du hast Recht und deine Maschine spuckt den Beweis aus. Unwiderlegbar, nachvollziehbar, einleuchtend, Schwarz auf Weiß. Es gibt keinen Gott. Was meinst du, würde das ändern?“
„Alles würde das ändern, wir hätten endlich…“
„NICHTS würde das ändern. Den Leuten wäre es egal, was die Maschine behauptet. Sie würden einfach weiter glauben, was sie glauben wollen und hinterher wäre alles nur noch viel schlimmer. Die Köpfe einschlagen würden wir uns, wieder mal.“
„An Gott zu glauben, ist dumm.“
„Den Glauben der Menschen nicht ernst zu nehmen, ist dümmer.“
„Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, ich geh’ jetzt mal in Ruhe kacken.“

Ich ging ins Bad und schloss die Tür. Kaum saß ich, klopfte es. Leah.
„Ich beeile mich“, rief ich.
„Ich kann warten“, rief es zurück.

Ich lauschte auf sich entfernende Schritte, aber sie wartete wirklich, also beeilte ich mich auch wirklich und dachte dabei, was ich, seit wir dich hatten, ständig dachte: Viel zu lange gebraucht, trotzdem nicht richtig fertig geworden.

Mein Doppelleben

Seit etwa meinem vierzehnten Lebensjahr führe ich ein geheimes Doppelleben. In meinem anderen Leben bin ich Rockstar. Ich spiele die Gitarre und singe dazu, unten stehen die Maßen, denen vor Staunen der Mund offen steht, mir tut er das auch, wie ich überhaupt das Gitarrenspiel als Ganzkörpersport begreife.

Yeah, yeah, yeah.

Seit etwa meinem vierzehnten Lebensjahr weiß ich, dass das in diesem Leben nichts mehr wird mit meiner Zweitkarriere und zwar nicht, weil es mir an Talent fehlt oder an Leidenschaft. Ganz bestimmt nicht an Leidenschaft. Aber eins hatte ich schon mit vierzehn verstanden. Man muss den Realitäten ins Auge sehen: Um jetzt noch vernünftig Gitarre spielen zu lernen, war ich einfach schon zu alt.

Der Beweis: In meiner Klasse waren zwei, die spielten schon ihr halbes Leben lang, die waren mir also schon uneinholbar voraus und selbst die konnten es nicht. Zumindest genügten sie nicht meinen Ansprüchen (Knopfler, Clapton, Hendrix, der Typ von Led Zeppelin (vielleicht)).

Also ließ ich es sein. Mit fünfzehn war ich dann noch älter, mit sechzehn noch älter und immer so weiter. Mittlerweile bin ich über vierzig und jetzt werdet selbst ihr, die ihr gerade eben, als ich noch fünfzehn war, bestimmt dachtet, Mensch, gib’ doch nicht jetzt schon auf, eingestehen: Um jetzt noch Gitarre anzufangen, ist der einfach schon zu alt.

Wisst ihr was? Falsch gedacht! → weiterlesen

Quantum Computing and the Future of Encryption

Quantum computing may still be some years from its breakthrough, but we should be preparing now for security in the post-quantum era

To understand quantum computing and quantum cryptography, one must have a grasp of topics such as Bell’s theorem, the superposition principle and Shor’s algorithm. If you are among the few who do, Wikipedia could use your help. At least, that’s the opinion of one unregistered user who left the following comment in the “Talk”-Section of Wikipedia’s article on quantum computing: “There’s an old saying about being able to explain something in simple terms. … If you can’t, you probably don’t understand the subject yourself. Cheers.”

If you already have decided you will never understand what this is all about, let us begin with a more practicable question: What is quantum computing good for?

There are probably many, many things quantum computers could be good for, once we can really start using them. Predicting the weather is one of them, perhaps. At the moment, the only thing we can be sure of is that quantum computing will help us factorize numbers.

IBM proved this in 2001. Big Blue, using an NMR type quantum computer, successfully factorized the number 15. Its factors were found to be 5 and 3.

What sounds like a pedestrian problem is giving an increasing number of scientists promising careers and has potential consequences that could challenge the integrity of our entire digital infrastructure.

To continue reading, visit dotmagazine: https://www.dotmagazine.online/issues/security/Quantumcomputing

Wie war’s bei Harald Philipp?

Wer mit mir ins Kino geht, muss, weil es mit meinem cineastischen Gedächtnis nicht allzu weit her ist, mit Zwischenfragen rechnen. Wie neulich in La La Land. Ich schätze, da spielen etwa drei wichtige weibliche Rollen mit. Alle blond. Glaube ich. Weshalb ich bei jeder neuen Szene nachfragen muss, ob ich diese Blondine schon kannte und wenn ja, ob das jetzt gerade die Frau, Schwester oder Mutter des Protagonisten war.

Zwei Tage später habe ich dann meistens alles vergessen und kann, wenn jemand behauptet, die Mutter habe da überhaupt nicht mitgespielt, nur mit den Schultern zucken.

Umso erstaunlicher, dass ich mich drei Monate oder mehr, nachdem das European Outdoor Film Festival in Freiburg zu Gast war, noch immer an drei Clips recht genau erinnern kann.

Den einen werde ich nie vergessen. Das waren diese freundlichen Belgier hier mit ihrem Eisberge brechenden Skipper:

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Wie war’s in Engelberg?

Wer in Freiburg wohnt, muss, um rechtzeitig an der Talstation anzukommen, früh aufstehen. Um viertel vor sechs geht’s los, in voller Montur versteht sich, man will ja schließlich vom Parkplatz direkt in die Gondel und außerdem verzeiht moderne Skiwäsche auch mal ein paar Stunden Aufenthalt hinterm Gebläse. Und AUSSERDEM habe ich dieses Mal nur meine eigenen Ski, Stiefel und Helm zu schleppen, denn die Kinder bleiben daheim, folglich muss ich auch niemanden anziehen außer mir selbst.

Wecker auf halb reicht also vollkommen. Um zwei schlafe ich endlich ein. Wach werde ich um halb drei, um drei, um halb vier, um vier und um fünf. Dann stehe ich auf.

Dafür:

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Es ist doch zum Gähnen

 

Es hat sich ja nun inzwischen herumgesprochen, dass, worüber wir uns aufregen, nicht dadurch weggeht, dass wir uns darüber aufregen. Das Gegenteil ist der Fall. Zunehmende Aufregung verleiht den eigenartigen Regeln der Memetik und, wenn ich mich nicht irre, der Aufmerksamkeitsökonomie zufolge dem Gegenstand unserer Aufregung Rückenwind.

Was natürlich blöd ist. Weil am anderen Ende des Spektrums ja auch keine Lösung zu finden ist: Unsinn zu ignorieren oder gar in die innere Emigration zu gehen, sind für den aufgeklärten Menschen jedenfalls keine Alternativen, denn dann überlässt man den Narren ja gänzlich das Feld.

Und der Mittelweg, also verständnisvoll und geduldig zuzuhören und gute Gegenargumente zu präsentieren? Führt doch auch zu nichts. Nicht bei mir. Ich jedenfalls habe es zum Beispiel noch nie geschafft, irgendwem seine Streukügelchen auszureden.→ weiterlesen

Vom Gletscherfloh lernen

 

Seit unserem Ausflug nach Alpigeln ist eines meiner Lieblingstiere  der Gletscherfloh. Der Gletscherfloh lehrt uns zweierlei.

Erstens. Alkohol hält doch warm. Zumindest den Gletscherfloh. Der Gletscherfloh ist in der Lage sind, sein ganzes Leben auf dem Gletscher zu verbringen, wo es bekanntlich immer kalt ist. Wie das geht? Alkohol! Der Gletscherfloh ist imstande, Alkohol in seiner Körperflüssigkeit anzureichern und so seinen Gefrierpunkt auf bis zu 20 Grad minus zu senken. Wie er das genau macht, der Gletscherfloh, habe ich nicht ganz verstanden, daher nur so viel: An der Ernährung liegt das nicht. Seinen Alkohol stellt er ganz ohne Zufuhr von außen her, der Gletscherfloh. Ich finde das, auch ohne die Details zu kennen, bewundernswert.

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Wie war’s in Alpiglen?

Ich weiß ja nicht, was ihr am Dreikönigswochenende so getrieben habt, aber ich für meinen Teil habe die Wand angestarrt. Es war wieder einmal großartig, vielleicht, weil diesmal die Kinder mit dabei waren? Vielleicht aber auch nur, weil es immer großartig ist, die Wand anzustarren:

Es ist immer gleich. Die ersten Minuten stehe ich einfach stumm da und staune – und dann fange ich an, das Loch zu suchen. Ich weiß, es ist da irgendwo, irgendwo gibt es einen Ausweg aus der Wand, ich weiß auch ungefähr, wo ich danach zu suchen habe, aber ich finde ihn nicht. Zum Glück stehe ich nur unter der Wand, denke ich, und hänge nicht drin. Sonst wäre ich ganz schön am Arsch mit meinem miserablen Überblick und Orientierungssinn.

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