Ein Buch schreiben, II

Wenn ein Buch daraus wird, werde ich bestimmt auch wieder daraus vorlesen. Als Rausschmeißer gibt es dann das hier zu hören:

„Wäre das hier ein Rockkonzert, könnte ich jetzt nach Hause gehen. Aber aus mir ist eben kein Rockstar geworden, sondern nur Schreiberling. Darum haben Sie meine Texte nicht mitgesungen. Und darum kommen wir jetzt gleich zu einem Programmpunkt, den kein Rockstar je absolvieren muss: Fragerunde.

Ich mag Fragerunden. Sie sind so schön vorhersehbar. Los geht es immer so: Ich sehe schon bei der letzten Zugabe, wer bei der Fragerunde als Erstes den Finger streckt. Es ist eine Frau, die sich ihre Frage schon minutenlang zurecht gelegt und im Geiste wieder und wieder umformuliert hat. Vom vielen stillen Proben ist sie aber nicht etwa souveräner geworden. Im Gegenteil. Sie rutscht schon ewig auf ihrem Stuhl herum, sie hat rote Bäckchen und zuhören kann sie schon lange nicht mehr.

Sie will immer das Gleiche. Sie will ein Kind von mir. So formuliert sie es natürlich nicht, aber es läuft darauf hinaus. Sie findet, es war ein prima Abend und sie hält den Künstler für eine ebenso kreative wie freie Seele. Das wäre sie auch gern. Ist sie aber nicht. Also muss sie sich meine Kunst einverleiben. Das geht aber nicht. Also will sie, wenigstens, ein Kind von mir.

Weil sie aber selbst einsieht, dass das nicht geht, zumindest nicht so schnell und schon gar nicht hier, in aller Öffentlichkeit, formuliert sie es anders. Sie gibt sich mit weniger zufrieden: Sie will mein Geheimnis.

Sie sagt: „Also, erst einmal vielen Dank für den inspirierenden Abend. Und dann würde mich mal interessieren, woher nehmen Sie eigentlich Ihre Ideen?“

Immer ist das die erste Frage und die Antwort ist auch immer gleich: „Meine Ideen kommen mir immer in der Badewanne.“ Dann lasse ich eine kurze Pause. Soll sie mit ihrem Kinderwunsch ruhig mal in Ruhe darüber nachdenken, wie das aussieht: Ich in der Badewanne beim Empfangen von Ideen. Soll sie sich ruhig vorstellen, ob das was werden kann mit ihr selbst und dem in der Badewanne empfangenen Bestseller.

Nach Verstreichen der Pause schiebe ich hinterher, dass mir in der Badewanne so viele Ideen kommen, dass ich gar nicht weiß, wohin damit und dass sie gerne drei oder vier davon haben könne, aber das ihr das natürlich nichts bringe. Weil die Idee allein überhaupt nichts wert sei. Man müsse sie schon auch umsetzen.

Dann kommt die nächste Frage. Auch die kenne ich schon. Sie lautet: „Mich würde interessieren, wie viel von dem, was Sie schreiben, haben Sie selbst erlebt?“ „Eine interessante Frage“, beginne ich meine Antwort mit einer Lüge. Ich weiß genau, was die Frage soll. Auch die Frage stammt von einer Frau. Männer stellen nämlich keine Fragen. Auch diese Frau will eigentlich ein Kind von mir. Aber diese Frau weiß genau, dass es einen Unterschied gibt, zwischen dem Künstler und seinem Werk. Da hat er vielleicht ein ganz brauchbares Buch geschrieben, denkt sich diese Fragerin, doch wer garantiert mir, dass der Typ nicht ein totaler Reinfall ist?

Ich kann sie beruhigen: Natürlich bin ich der wahre Jakob und natürlich habe ich alles, was ich jemals geschrieben habe, selbst erlebt. Zumindest in meiner Phantasie. Sonst hätte ich ja wohl kaum darüber schreiben können.

Gibt es weitere Fragen? Die gibt es. Worüber schreiben Sie als Nächstes? Wird nicht verraten. Wie stehen Sie zu der im Buch aufgeworfenen Fragestellung xy persönlich? Dazu möchte ich nichts sagen. Können Sie uns erklären, was die Figur X dazu bewogen hat, sich gegenüber Y so zu verhalten? Äh, wollen Sie nicht vielleicht lieber ein Kind von mir?

So ist das mit mir und den Fragerunden und wenn es keine weiteren Fragen gibt, würde ich jetzt gerne nach Hause gehen.“

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