„Papa!“
Es ist Samstag Morgen, man könnte ausschlafen, aber man hat ja Kinder.
„Papa!“
Ich drücke die Augen zusammen, ganz fest. Mit einem Ruck entfernt meine Tochter die störende Decke und trägt ihr Anliegen vor.
„Papa! Papa! Da ist jemand.“
Ich seufze.
„Komm kuscheln.“
„Aber da ist jemand.“
„Komm zu mir ins Bett. Hier ist niemand außer uns.“
„Aber da ist wirklich jemand. Im Klo. Eine Frau.“
„So, so.“
„Papa, du musst jetzt aber wirklich kommen.“
Unsere Kinder sind jetzt sieben und fünf. Gemeinsam mit meiner Frau verfüge ich damit über die erstaunliche Menge von 24 Mannjahren Erziehungsarbeit. Nicht genug, um eine Ahnung davon zu haben, wie das eigentlich richtig geht, aber immerhin genug, um eins zu wissen: Wann es Zeit ist aufzugeben. Samstag früh ist so eine Zeit. Wenn sie wach sind, sind sie wach und wenn sie wach sind, hat niemand hier das Recht, nicht wach zu sein. Zu gewinnen gibt es hier nichts. Das einzige, was jetzt vielleicht noch geht, ist das Unvermeidliche herauszuzögern.
„So, so“, sage ich, „erzähl mir mehr davon.“
„Auf dem Klo ist eine Frau und redet die ganze Zeit.“
„So, so.“
„Du musst kommen.“
„Mhm. Und was redet die denn?“
„So Sachen.“
„So, so.“
„Komm jetzt“, sagt meine Tochter, nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Bett.
Also komme ich und was soll ich sagen? Vor der verschlossenen Tür unseres Gäste-WCs angekommen, muss ich meiner Tochter recht geben. Es hört sich tatsächlich so an, wie von ihr beschrieben: Bei uns auf dem Klo sitzt eine Frau und redet.
„Wer ist die?“, frage ich meine Tochter.
„Keine Ahnung“, sagt sie.
Ich lege ein Ohr an die Tür und lausche. Eindeutig eine Frauenstimme. Jetzt, mit dem Ohr an der Tür, verstehe ich auch, was die fremde Frau für Sachen redet. Sie sagt Zahlen auf.
„Runde 13“, höre ich die Frau sagen. „26 Sekunden.“
„Geht das schon länger so?“, frage ich.
„Schon die ganze Zeit.“
„Und hast du mal reingeschaut?“
„Papa, ich habe Angst.“
„Du musst keine Angst haben.“
„Dann mach jetzt die Tür auf.“
„Runde 14“, sagt die Frau. „20 Sekunden.“
„Mama ist das nicht“, sage ich.
„Soll ich sie mal holen?“
„Nein“, sage ich. „Das schaffen wir allein.“
„Runde 15. Dreizehn Sekunden.“
„Gehst du da jetzt rein oder nicht?“, verlangt meine Tochter zu wissen.
„Ich weiß nicht.“
„Runde 16. Acht Sekunden.“
Wer auch immer die Frau sein mag, die auf unserem Gästeklo Runden dreht: Sie wird immer schneller.
„Runde 17. Drei Sekunden.“
Ich beschließe, dass ein Mann tun muss, was ein Mann tun muss, bevor die da drin noch abhebt, öffne die Tür und finde: Unser Gäste-WC leer vor. Das heißt, leer, wenn man von meinem Handy absieht, das auf dem Waschbecken liegt. Ich nehme es in die Hand, entsperre es und sehe, dass eine App geöffnet ist, die ich erst gestern heruntergeladen habe.
„Komm mal mit“, sage ich zu meiner Tochter und jetzt bin ich es, der sie an die Hand nimmt und den Weg weist. Wir gehen ins Wohnzimmer wo meine zweite Tochter auf der Couch sitzt und heimlich grinsend auf einem runden, schwarzen Gegenstand herumdrückt.
„Guten Morgen“, sage ich.
„Was ist das?“, fragt Nummer zwei und hält mit den Gegenstand entgegen.
„Das, meine lieben Kinder“, sage ich, „ist die Fenix 5s plus.“
„Hä?“
„Ein neues Spielzeug…“
„Juhu! Super, Papi! Vielen Dank, Papi.“
„Mein neues Spielzeug…“