Einige erstaunliche Fakten über Quantencomputer, von denen ich nicht wusste, dass ich sie nicht wusste

Verschränkung

Um die Frage aus dem mehr oder weniger intellektuellen Witz von oben zu beantworten: Ja, Sie können auch dann Unrecht haben, wenn Ihre Frau nicht da ist. Falls Sie beide Quanten sind. Miteinander verschränkte Quanten. Und wenn Sie Ihre Meinung nicht einfach nur haben, sondern auch jemand danach fragt.

Die Verschränkung von Quanten und ihre Auswirkungen: Alles, was damit zusammenhängt, fällt mir noch schwerer zu begreifen als das mit der Superposition. Auch da bin ich nicht allein. „Ich kann aber deshalb nicht ernsthaft daran glauben, weil die Theorie mit dem Grundsatz unvereinbar ist, daß die Physik eine Wirklichkeit in Raum und Zeit darstellen soll, ohne spukhafte Fernwirkungen“, schrieb Einstein. Woran er sich störte, war die Vorstellung, dass zwei Quanten derartig miteinander in Kontakt stehen können, dass in dem Moment, in dem das eine – indem es beobachtet, beziehungsweise gemessen wird – einen bestimmten Zustand einnimmt, auch das andere einen bestimmten Zustand einnimmt. Wobei der Zustand des zweiten mit dem Zustand des ersten verknüpft ist und das Ganze unabhängig von der Entfernung der beiden Quanten im exakt gleichen Moment, der Physiker sagt „instantan“ stattfindet. Das meint Verschränkung, die „spukhafte Fernwirkung“.

Heute gilt als gesichert, dass es sie gibt. „1964 gelang es dem nordirischen Physiker John Stewart Bell, zu zeigen, dass sich das Paradox der Verschränkung experimentell testen lässt, und 1972 wurde der erste entsprechende Versuch durchgeführt“, schreibt Fabian Scheidler in „Der Stoff, aus dem wir sind.“ Und weiter: „Gleichzeitig erzeugte und damit „verschränkte“ Photonen wurden an verschiedenen Stellen auf ihren Drehimpuls („Spin“) gemessen, und zwar in so großer Zahl, dass sich statistisch gültige Aussagen machen ließen. Das Ergebnis war eindeutig: Die „spukhafte Fernwirkung“ war real, Einstein hatte unrecht.“

Ein Grund, warum in meinem Stapel Bücher über Quanten nicht nur ein, sondern gleich drei Bücher für Ahnungslose liegen, ist, dass ich die Dinge nicht immer gleich beim ersten Mal verstehe. Ich lasse sie mir gerne öfter erklären, wenn möglich auch von verschiedenen Leuten. Das erhöht die Chance, dass doch etwas hängenbleibt. Daher hier noch ein Zitat, das Verschränkung etwas anders erklärt: „Zwei verschränkte Teilchen“, schreibt Brian Clegg in „Quantentheorie in 30 Sekunden“, „können als ein einzelnes physikalisches Objekt betrachtet werden, selbst wenn sie Lichtjahre voneinander entfernt sind.“ Und weiter: „Beide Teilchen befinden sich in einer Superposition aus zwei Quantenzuständen. Prüft man jedoch eines von beiden, beeinflusst die Messung sofort den Zustand des anderen.“ 

Ich könnte noch mindestens ein Dutzend ähnlicher Zitate bringen, die alle auf das Gleiche hinauslaufen: In dem Moment, in dem der Mann aus dem Witz seine Meinung sagt, nimmt seine Frau die gegenteilige Meinung ein. Ohne vorherige Absprache. Ohne Austausch zwischen den beiden. Instantan. 

Eine Sache, von der ich nicht wusste, dass ich sie nicht wusste: Wie lange die Frage schon geklärt ist. 1972 ist fast so lange her wie das Jahr, in dem ich geboren wurde. Wie für sehr viele Männer meines Jahrgangs, 1971, ist Douglas Adams ein Autor, aus dessen Science-Fiction ich viel für meinen irdischen Alltag gelernt habe. Dieses Zitat hier zum Beispiel: „Alles, was es schon gibt, wenn du auf die Welt kommst, ist normal und üblich und gehört zum selbstverständlichen Funktionieren der Welt dazu.“ Weiter geht es mit: „Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge.“ 

Nichts ist schneller als Licht: Das gehört für mich zur natürlichen Ordnung der Dinge. Teilchen kommunizieren instantan, also schneller als Licht und das über riesige Distanzen? Ist für mich, obwohl es schon bewiesen war, bevor ich eingeschult wurde, ein Verstoß gegen die natürliche Ordnung der Dinge – womit sich dann nach Einstein und Schrödinger leider auch der Erfinder des absoluten Durchblicksstrudels in die Schlange derer einreihen darf, die durch die irre Welt Quanten widerlegt wurden.

Warum können Quanten das? Ich würde sagen: keine Ahnung. Aber ich bin ja auch kein Physiker. Physiker haben dafür – und ich wusste nicht, dass ich das nicht wusste – eine elegantere Formulierung. Während ich noch dachte, die Dinge seien entweder real oder nicht real, oder meinetwegen auch irreal oder unrealistisch, haben Physiker einen neuen Ausdruck gefunden: „nicht-realistisch“. Nicht-realistisch sind Phänomene, die nicht durch das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung erklärt werden können, die es aber dennoch gibt. So wie die Quantenverschränkung. Quantenverschränkung ist nicht-realistisch.

Mit Superposition und Verschränkung ging es bislang um zwei Themen, die zentral sind für die Quantenwelt. Bei beiden gibt es, nicht nur für mich, viele offene Fragen. Beide bleiben mir ein Rätsel, bei dem ich nichts tun kann, als es zu akzeptieren. Als nächstes soll es darum gehen, warum auf Basis von zwei Phänomenen, bei denen so viele Unsicherheiten im Spiel sind, Maschinen gebaut werden sollen, wie sie die Menschheit noch nicht gesehen hat. Maschinen, die Antworten auf Fragen liefern können, mit deren Lösung selbst ein Supercomputer länger beschäftigt wäre, als der Mensch vom Feuerstein bis zum Solar Orbiter gebraucht hat. Quantencomputer.