„An einem entspannten Nachmittag kann ein Physiker sich unzählige Möglichkeiten ausdenken, wie er die Überlagerung von 0 und 1 darstellen kann, um einen völlig neuen Quantencomputer zu konstruieren“, schreibt Michio Kaku in „Wettlauf um die Zukunft“.
Ganz abgesehen davon, dass ich nicht wusste, dass ich nicht wusste, dass Kaku und ich verschiedene Vorstellungen davon haben, was ein entspannter Nachmittag ist: Die Aussage, dass es für die Konstruktion auch nur eines einzigen Quantencomputers, geschweige denn einer unzähligen Menge völlig neuer Quantencomputer, nicht mehr braucht als einen einzigen Physiker und einen einzigen entspannten Nachmittag, war in der langen Reihe der Sätze in meinen Büchern über Quanten, die ich zweimal lesen musste, der erste, den ich inhaltlich auf Anhieb verstehen konnte, aber schlicht nicht glauben mochte.
Es blieb auch beim zweiten Lesen schwer zu glauben. Wenn die Konstruktion eines Quantencomputers für irgendeinen Physiker wirklich so prickelnd ist wie für mich das Inbetriebnehmen einer Kartoffelbatterie: Warum steckt dann nicht längst ein Quantencomputer in meiner Hosentasche?
Weil es mit dem Ausdenken eben doch nicht getan ist. Man muss so eine Kiste auch bauen und das liegt nicht nur am Wollen, sondern auch am Können. Bislang hapert es da noch. Es gibt noch so wenige Quantencomputer, dass die Bundesregierung schon stolz darauf ist, dass in Deutschland, in Jülich, einer davon in Betrieb ist. Und so ganz scheint die Regierung nun doch noch nicht von ihm überzeugt zu sein, macht sie ihn doch schon im nächsten Satz mit der Aussage madig, das „Handlungskonzept Quantentechnologie“ sehe „für Deutschland die Entwicklung eines leistungsfähigen und international wettbewerbsfähigen Quantencomputers bis 2026 vor.“ Der in Jülich ist also bestenfalls entweder leistungsfähig oder international wettbewerbsfähig?
Von den „unzähligen Möglichkeiten“, einen Quantencomputer zu konstruieren, sind derzeit eine gute Handvoll in der Praxis im Einsatz. Ich wusste, dass es Supraleiter gibt und habe ein ungefähres Verständnis davon, wie sie funktionieren. Ich wusste nicht, dass es etwas gibt, das Ionenfalle genannt wird und weiß jetzt immerhin, dass ich nicht weiß, wie eine solche funktioniert. Mit beidem, dem Supraleiter und der Ionenfalle, kann man Quantencomputer entwickeln, ebenso wie mit Atomkern-Spins und Photonen.
Bislang habe ich noch keinen Quantencomputer selbst gesehen, ich kenne nur Bilder. Wovon ich schon sehr viele gesehen habe, sind Rechenzentren, die Cloud kenne ich sozusagen von innen. Nichts von dem, was dort in Betrieb ist, erinnert an das, was auf den Bildern von Quantencomputern zu sehen ist. Das schönste der Bilder zeigt einen Quantencomputer von IBM und auch wenn bei dem die Basis, ein Supraleiter, ein bewährtes Konzept ist, sieht der so gar nicht nach Computer aus. Wenn der überhaupt nach irgendetwas aussieht, dann nach Kronleuchter. Nach einem Kronleuchter, den jemand als Spezialanfertigung in Auftrag gegeben hat, der von Kronleuchtern nichts weiß, außer, dass sie von der Decke hängen, und der für Glasbläserei schwärmt, während seine Frau eher der Typ Steampunk ist. Oder von einem, der wollte, dass sein Quantencomputer aussieht wie aus der Nautilus gehoben.
Etwas mehr zu dem Computer weiß Michio Kaku. Überraschend sind die Größenverhältnisse, die erklärt er so: „Der größte Teil der komplexen Hardware in diesem Bild besteht aus den Rohren und Pumpen, die notwendig sind, um den Kern auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt zu kühlen. Das eigentliche Herz eines Quantencomputers kann so klein wie eine Euromünze sein und befindet sich im unteren Teil des Bildes.“
Kälter als im Weltall. So kalt, dass sich fast nichts mehr bewegt. So kalt muss es im Quantencomputer zugehen, damit die Quanten still genug halten. Der Grund, warum der Quantencomputer von der Decke hängt, ist vermutlich derselbe wie der für die extreme Kühlung: Um die empfindlichen Qubits nicht zu stören, in dem Fall durch Erschütterungen. Damit ist geklärt, warum meine Hosentasche kein Ort ist, um einen Quantencomputer zu betreiben.
Das Qubit kann, wie oben kurz erwähnt, eine Überlagerung von 0 und 1 darstellen. Das ist Superposition im Quantencomputer und der wesentliche Unterschied zum herkömmlichen Computer. Bei dem ist jedes Bit entweder 0 oder 1. Im Quantencomputer kann jedes Qubit (bis zur Messung) jeden der unendlich vielen Zustände zwischen 0 und 1 gleichzeitig einnehmen. Beim Bit liegt die Münze entweder mit dem Kopf oben oder mit der Zahl. Beim Qubit hingegen ist die Münze noch in der Luft und dort dreht sie sich. Sie dreht sich so schnell, dass es unmöglich ist zu sagen, wie sie sich gerade dreht und mehr noch, sie schafft es, Superposition, verschiedene Zustände gleichzeitig einzunehmen – bis zum Moment der Messung. In dem nimmt sie einen bestimmten Zustand ein. Das ist ein entscheidender Vorteil, den der Quantencomputer gegenüber dem herkömmlichen Computer hat.
Ein anderer liegt im exponentiellen Wachstum.